Sonntag, 12. März 2017

Die Toskana Männer.




In Herrchenjahre und Herrchenglück trieben sie ihr Unwesen am Rande. Jetzt haben sie ein eigenes Buch: Herren um die Fünfzig, die dezente Schavatten tragen und mit vollem Mund so lange blödes Zeug reden, bis die Wirtin ihnen das Licht ausknipst. 

Jede gute Serie kriegt irgendwann ihren Spin-Off. Man denke an Cheers und Frasier, Buffy und Angel und natürlich – ehrfürchtig auf die Knie fallend – an Breaking Bad und Better Call Saul. Also gut, habe ich mir letztes Jahr überlegt, spinne ich den Herrchen-Stammtisch einfach mal off und schicke ihn nach Italien. Unter anderem Namen zwar und mit anderer Vita, aber das Gelaber bleibt. Der Rosso auch.





Wenn Männer verreisen und Testosteron in die Jahre kommt. 
Markus, Rudi, Thomas und Alain sind seit Jahrzehnten die besten Freunde, teilen Freud und Leid und, seit die Gelenke nicht mehr so geschmeidig funktionieren, die Liebe zum mittwöchentlichen Schnitzel. So weit, so gut – bis Alain kurz vor dem Fünfzigsten seiner Jugendliebe Claudia in die Toskana hinterherreist. Midlife-Crisis vom Feinsten! 

„Bin wahrscheinlich eine Weile weg. Macht euch keinen Kopf. Ciao A“ - so beginnt der ganze Schlamassel und eine Italienreise, von der keiner weiß, wie sie ausgehen wird. Ausgerechnet Alain, die korrekte Beamtenseele, wirft alles Gewohnte über Bord. Die Freunde sind fassungslos. Da muss man doch hinterher! 

Und so machen sich die Jungs gen Süden auf. Mit im Gepäck ist Dreisortenterriermischling Otto, der die Truppe ganz schön auf Trab hält und vor dem kein Kellnerbein sicher ist, und Ben, ein junger Student, der über Umwege zu der Männergruppe stößt – nicht ahnend, dass dies die Reise seines Lebens werden wird. Auf diese Truppe hat die Toskana gerade noch gewartet:

»Seht ihr das? Das Weingut auf dem Hügel da?« sagte Rudi.
»Ja doch«, murmelte Markus und wischte Rudis Zeigefinger
aus seinem Gesicht.
»Das ist doch der Hammer, oder?«, rief Rudi begeistert. »Vor allem dieser Hyazinthenhain! Mach doch mal einer ein Foto!« 
»Hyazinthen? Wo?«
»Na da, diese Bäume in der Auffahrt zum Weingut. Das ist typisch Toskana.«
»Das sind Zedern, du Hirsch«, sagte Thomas. 
»Nein, das sind Zypressen«, sagte Markus.
»Du bist ein alter Klugscheißer, Markus«, sagte Rudi. »Außerdem werden wir bald fünfzig. Da sollten wir wirklich anderes im Sinn haben als Gärtnerseminare.«
»Für die Feinheiten der Botanik sind die Frauen zuständig,« sagte Thomas »Wir Männer fällen Bäume und mähen Rasen und riechen streng.« 
»Eben«, sagte Rudi.
»Ob wir Hyazinthen, Zedern oder Zikaden umhauen, interessiert doch nicht.«
»Männer in den Wechseljahren«, sagte Markus. »Von Tag zu Tag werden sie sturer und unbeweglicher ...«
»... und reden noch dümmeres Zeug«, sagte Thomas. 
»Geht das überhaupt?«
»Du hörst es ja.«




Ingredienti.
105.719 Wörter,
4.253 Toskanakilometer,
726 Flaschen Rosso (Abitreffen eingerechnet), 
275 Gramm Arrabbiata,
109 Gramm Trüffeln,
30 Songs, 
10 Kapitel, 
5 Männer,
4,8 Kilo Wildschweinschinken, 
1 Böffdss,
1 Bulli,
1 Otto.

Frauen.



Ein paar Takte zu Otto.
Otto ist Rudis Dreisortenterriermischling. Er hat tatsächlich alles überlebt. Alles! Die Facebook-Abstimmung, ob er mitreisen soll oder nicht, die Autorenbedenken, die erste, zweite und dritte Manuskriptfassung, das Lektorat, die Titelkonferenzen, die Redaktion, die Coverdiskussionen. Otto ist eine ganz harte Sau. Zum Dank darf er im siebten Kapitel den allergrößten Schaden anrichten:

Am Ende der Via Roma stießen sie auf einen kochenden Rudi. Er lehnte am Bulli, schwenkte einen Bund Frühlingszwiebeln und fauchte: „Das waren die teuersten Zwiebeln meines Lebens!“
Markus, dem klar war, dass Shoppen in Siena für den Geldbeutel nicht dasselbe war wie Einkaufen in Heerdt, fragte behutsam: „Wieviel denn?“ 
„Hundertsiebzig Euro!“

„WAS????“

„Hundertsiebzig Euro!“
Rudi schnippte wütend eine strohhalmdünne Kippe über den Asphalt.
„Einszwanzig für die Zwiebeln und einhundertneunundsechzig Euro für einen schwarzen Trüffel. Und diesen Pillerarsch da ...“, er zeigte auf Otto, der auf dem Bürgersteig saß und so interessiert den Rinnstein betrachtete, als handelte es sich um ein offenes Glas Pfälzer Landleberwurst, „... den kannst du morgen Mittag gleich mit in die Suppe tun. Der ruiniert mich.“
Dabei hatte sein kleiner Einkauf so erfreulich angefangen. Während Otto ein sienesisches Mäuerchen nach dem anderen mit seiner Markierung versah, entdeckte Rudi in der Auslage eines Tabakgeschäfts ein schmales Zigarettenpäckchen, das ihn in Null Komma Nichts in seine Jugend zurückkatapultierte. Als er mit vierzehn das erste Mal rauchte, kostete eine Zehnerpackung Camel eine Mark. Man konnte die Zigaretten sogar einzeln kaufen. Obendrein verschenkte so gut wie jeder Düsseldorfer Tabakladen schmale Probepäckchen, um die Leute auf den Geschmack zu bringen. Drei oder vier Zigaretten waren meistens drin. Rudi konnte es kaum fassen. Genau diese schmalen Päckchen fand er hier in Siena wieder. Es gab sie immer noch. Nach über dreißig Jahren! Es stand zwar nicht Camel darauf, sondern MS Slim, aber das machte Rudi nichts aus. Für ihn als Schmalspurraucher war das genau die richtige Packungsgröße. Er kaufte drei Päckchen und marschierte anschließend in den Lebensmittelladen auf der anderen Straßenseite, um nach den Frühlingszwiebeln zu fragen.
Beim Bezahlen zeigte ihm die Besitzerin stolz ein großes Glas mit Trüffeln. Tuber melanosporum stand auf dem Glas, schwarze Trüffeln aus Umbrien, darunter handgeschriebene Zahlen, vermutlich die Gewichte der aromatischen Knollen. Sie öffnete das Glas und ließ Rudi schnuppern. Rudi liebte den köstlichen, dumpfen Duft der Trüffeln und ihre schwarzviolette Farbe. Trüffeln waren ehrlich und erdig, fand er. Sie hatten, bis auf den Preis, so gar nichts Abgehobenes. Die Frau nahm die dickste Kugel aus dem Glas und reichte sie Rudi über den Tresen. Wie eine Rakete war Otto zwischen den beiden hindurchgeflogen, hatte sich das Ding geschnappt und war damit quer über den Campo in die Via Salicotto abgehauen.
„Ein Riesengeschrei kann ich euch sagen!“, stöhnte Rudi, während er in den Bulli stieg und sich neben Grazia auf die Rückbank fallen ließ. „Die arme Frau wurde erst ruhiger, als ich ihr meine EC-Karte über die Theke schob. Hundert Gramm kosten 164 Euro. Du meine Fresse, der Oschi hatte etwas über einhundert Gramm! Und das Allerschlimmste: In diesen schlanken Zigarettenpäckchen sind nicht vier normale Kippen drin wie früher, sondern zwanzig! Zwanzig!!! Zwanzig hauchdünne Frauenzigaretten, die nicht wesentlich dicker sind als ein Zahnstocher. Sie zerfallen zu Asche, wenn sie das Feuerzeug nur sehen. Einmal ziehen, zisch und weg! Von dem Dreck habe ich jetzt sechzig Stück in der Tasche. Es ist ein Elend.“
„Es kommt noch dicker“, sagte Markus. „Wir haben Mitte Juni.“

„Was hat das damit zu tun?“, fragte Rudi.

„Im Juni gibt es keine schwarzen Trüffeln mehr. Da gibt‘s nur Sommertrüffeln. Die hat dir einen Sommertrüffel als schwarzen Trüffel verkauft.“

„Na und? Trüffel ist Trüffel.“

„Nicht ganz. Die Sommertrüffeln kosten nur einen Bruchteil. Da bekommst du hundert Gramm schon für zwanzig Euro.“

Thomas knallte die Schiebetür zu, direkt vor der Nase des tobenden Rudi, der unbedingt nochmal in den Lebensmittelladen wollte, um direkt mit den Inhabern zu sprechen. Markus lenkte den Bus zur Stadt hinaus. Erst hinter dem Ortsschild hat sich Rudis Blutdruck soweit gesenkt, dass er sich auf der Rückbank lang machen und den Kopf in Grazias Schoß legen konnte. Sie strich ihm über die Haare.
„Hmmm“, machte er und schloss die Augen. „Das ist schön.“

Nach einer Weile hob er den Kopf und rief nach vorne: „Ich bin komplett abgebrannt jetzt. Könnt ihr mir etwas leihen für den Rest der Tour? Zu Hause muss ich erst einmal einen neuen Job an Land ziehen. Oder die Barreserve im Schreibtisch aufbrauchen. Mal sehen.“
„Beunruhigt dich das nicht?“, fragte Ben.

„Nein“, sagte Rudi. „Das hatte ich schon öfter. Es ging immer gut aus.“ 
„Vielleicht zahlt ja Ottos Haftpflicht?“

„Ich habe keine Quittung“, sagte Rudi. „Und die passierten Tomaten habe ich auch vergessen.“
Kurz hinter San Quirico d‘Orcia hörte Markus seltsame Geräusche aus dem Heck des Bulli. Nicht schon wieder, dachte er verzweifelt. Es darf nichts kaputt gehen. Vorne nicht und hinten nicht. Der Turboschlauch hat gereicht. Der Bus muss halten, bis wir wieder in Düsseldorf sind.
„Was ist das für ein komisches Geräusch da hinten?“, fragte er. 
„Was für ein Geräusch?“, fragte Rudi zurück.

„Na, dieses Wup-wuup-wuuup?“

„Ach das“, sagte Rudi. „Otto kotzt.“
„Bah!!!“, rief Ben, der in der zweiten Reihe saß und gerade noch seine Schuhe wegziehen konnte. „Der reihert mir den kompletten Trüffel vor die Füße und jede Menge undefinierbares Zeug.“
„Kriegt man das aus dem Teppichboden wieder raus?“, wollte Markus wissen.
„Das ist gar kein Problem“, beruhigte ihn Rudi. „Gib Otto eine Minute. Dann frisst er alles wieder auf.“
„Er macht was???“

„Er pfeift sich den Haufen rein, ohne eine Spur zu hinterlassen.“ 
„Ach du Sch ...“

„Das riecht aber streng jetzt.“

„Erbrochener Trüffel ist nicht der Würzpilz, wie ich ihn kenne.“ 
„Ich esse auf absehbare Zeit keine Trüffelpasta mehr.“
„Das ist ja widerlich.“

„Bekommt ihm das denn?“

„Wieso gibt er dem Trüffel überhaupt eine zweite Chance?“

„Weil er hundertsiebzig Euro gekostet hat, du Hirsch! Dafür kann er den ruhig fünfzigmal auskotzen und fressen.“

„Wären drei Euro pro Mahlzeit.“

„Dann hat es sich wenigstens gelohnt.“

„Aber er hat ihn ja offensichtlich beim ersten Mal schon nicht vertragen.“ 
„Die arme Sau.“

„Wer? Der Trüffel?“

„Der Hund.“

„Wieso knurrt er jetzt?“

„Er bewacht den Haufen.“

„Da kennt er nix.“

„Als wäre es kostbar.“

„War es ja auch.“

„Vorher vielleicht. Jetzt ist es einfach nur Kotze!“

„Kotze ist für Otto nur ein anderer Aggregatzustand von Gourmetküche.“

Die Toskanamänner haben 416 Seiten, sind im März 2014 im Heyne Verlag erschienen und kosten nicht mehr als eine gute Flasche Rosso: 8,99 €.





7 Kommentare:

  1. Hallo Krawallmaus-Herrchen!
    Ich hätte da eine Frage: Wir wollen mit Paula (ein Mops) nach Italien reisen, allerdings gilt da nach unserem Wissen Maulkorbpflicht. Haben sie für Luna bei ihren Toskanareisen mit dem Stammtisch (soweit ich das in den Büchern verstanden habe, machen sie das ja jährlich) immer einen Maulkorb dabei, oder gibt es da Ausnahmen? Mir ist es nämlich ein Rätsel, wie man einem Mops einen Maulkorb anziehen soll...
    Schöne Grüße!
    Sarah (14 Jahre alt, ja sie haben auch junge Leserinnen und ich habe alle ihre Bücher und lese sie regelmäßig :o) !)

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    1. Mist, Mist und Entschuldigung! Ich habe den Kommentar erst jetzt entdeckt. Ja, ich habe immer zwei Maulkörbe dabei, setze sie den Hunden aber nie auf.

      Eine gute Adresse für Maulkörbe ist chic & scharf. Die schicken einem auch eine kleine Auswahl zum Anprobieren.

      http://www.chicundscharf.com

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  2. Vielen Dank für die Antwort! Jetzt hätte ich noch eine Frage: Wann darf man auf das nächste Buch gespannt sein? Wieder Sarah :)

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    1. Im Sommer 2015 kommt Toskanamänner 2 (Titel wird noch nicht verraten) und im Jahr darauf der dritte Teil von „Herrchenjahre".
      :o)

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  3. Hallo Herr Dodillet,
    habe bei einer Kollegin (bin Hundetrainerin) gesehen, dass Sie bei ihr als Veranstalter waren. Ab wie viel Besuchern und zu welchem Preis könnte man das bei Ihnen buchen?
    Ich freue mich auf Ihre Antwort.
    Herzliche Grüße
    Sylvia Neumaier
    www.werdenfelser-hundeschule.de

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