Sonntag, 12. März 2017

Männer al dente.




Da sind sich die vier Freunde Alain, Rudi, Markus und Thomas einig: Wenn man die fünfzig überschritten hat, lässt man es ruhiger angehen. Leider haben sie die Rechnung ohne das Leben gemacht. Das kocht auch den härtesten Kerl weich. 

Seine halbwüchsigen Zwillinge treiben Alain zur Verzweiflung. Da kommt es wie gerufen, dass Freund Rudi in der Toskana eine alte Scheune renoviert. Ab ins Bootcamp mit den beiden, damit Rudi sie mal ordentlich erdet! 

Das geht so lange gut, bis Rudis Freundin Grazia aus heiterem Himmel zusammenklappt, Rudi um das Leben seiner großen Liebe bangt und die Zwillinge in derselben Nacht noch nach Florenz durchbrennen. Klarer Fall, der Mann braucht Hilfe. Und da kommen ausgerechnet Markus, der gerade mal wieder nicht weiß, wo ihm der Kopf steht, und Thomas, der viel zu viel Freizeit hat, seit er gefeuert wurde.






Kleines Leckerchen aus dem ersten Kapitel.
Eine satte Sommersonne lag über dem Chianti und tauchte die toskanischen Hügel in flimmernde Hitze. Eine Schmeißfliege brummte die holperige Landstraße entlang, die von Fioraie nach Castellina führte. Als die Fliege den würzigen Zypressenduft wahrnahm, bog sie zuversichtlich nach links ab.

Die Zypressenallee beschattete einen staubigen Feldweg, der nach wenigen hundert Metern auf dem Hof eines bescheidenen Landguts endete. Links das verwinkelte Haupthaus, rechts die große Scheune, geradeaus die alten umgebauten Stallungen, in denen es schwach nach dem Öl gepresster Oliven roch. Dahinter zogen sich Olivenbäume den Hügel hinunter bis zum Bauernhof des Nachbarn. 

Die fette Fliege wich geschickt einem Sperling aus, der mit offenem Schnabel Löcher in die Luft hackte. Mit grenzdebilem Geflügel wie diesem wurde sie locker fertig. Immerhin hatte sie auf ihrem Flug bereits die Kühler dreier klappriger Lieferwagen überlebt, außerdem die Stoßstange eines schlingernden Fiat Cinquecento und zwei krakeelende Piaggio Dreiräder. Ape hießen diese Piaggios hier. Biene! Ausgerechnet. Dieser infernalische Krach hatte doch mit Summen nichts zu tun. Wenigstens hörte man sie schon von weitem.

Der Duft des herben Zypressenharzes verband sich mit einem feuchten Olivenölgeruch. Klatschmohn und Kornblumen mischten sich ein, kräftiger, süßer Ginster, wilder Thymian und Rosmarin. Aber da war noch etwa Anderes, Animalisches, außerordentlich Leckeres. Als ob altes Fleisch in der Sonne briete. Das war zu schön, um wahr zu sein.

Gierig schwirrte die Fliege zum Haupthaus hinüber. Das Aroma wurde immer intensiver. Etwas Blechernes blitzte in der Sonne. Tatsächlich, Fleischbrocken! Der schwere Hautgout traumhaft großer, verwesender Fleischbrocken. Sie wurde beinahe ohnmächtig vor Glück. Das Letzte, was sie in ihrem Leben hörte, war das martialische Klacken von zweiundvierzig schneeweißen Zähnen. Dann wurde es schwarz.

Otto schluckte den knusprigen Minibissen hinunter und leckte sich genießerisch die Lefzen. Das fehlte noch, dass sich so eine blauschillernde, dicke Sau in seinen Futternapf setzte und ihm die Hühnerleber vor der Gärung wegfraß.

Mehr Bewegung war in der Hitze nicht möglich. Otto bettete seinen Quadratschädel wieder auf die Vorderpfoten und blinzelte unbeeindruckt zur Scheune hinüber, aus deren geöffnetem Tor laute Stimmen drangen.

„Wie jetzt – mooof?“
„Ja, mauve halt.“
„Mooof ist keine Farbe!“
„Doch, Rudi, mauve ist ein angenehmes, malvenfarbenes Lila.“
„In der Provence vielleicht. Aber nicht hier. Ich verputze die Wand eines toskanischen Hofladens mitten im Chianti jedenfalls nicht lila.“
„Ich will ja auch keinen lila Putz von dir, sondern mauvefarbenen Tadelakt.“
„Claudia! Claudia, hör mir zu! Du bist die älteste Freundin meines Freundes Alain. Ich bin außerordentlich froh, dass er letztes Jahr die Nerven verloren hat und zu dir geflüchtet ist. Denn auf der Suche nach ihm bin ich hier in dieser wunderbaren Gegend gelandet und habe Grazia kennengelernt. Vermutlich werde ich sogar wegen deinem und Alains Unfug heiraten. Im zarten Alter von zweiundfünfzig Jahren! Ich danke dem Schicksal also auf Knien, dass es dich und deine Ölmühle gibt. Aber mooof in der Toskana – – – NIE – – – MALS!“
„Das ist mein Hofladen, Rudi!“
„Das mag ja sein, aber ...“
„Mein Hof! Mein Mauve!“
„Mein Kalk! Meine Farbpigmente!“
„Ah, wie kann man nur so stur sein!“

Claudia stürmte in die Sonne hinaus. Sie blies sich ein paar Mal vergeblich die Haare aus der verschwitzten Stirn. Als das nichts half, wischte sie die Strähne energisch beiseite. Diese Hitze war einfach nicht das ideale Wetter für eine Debatte. Schon gar nicht, wenn es um die Farben ihres Hofladens ging.

„Ihr seid still!“, fauchte sie den verblüfften Otto an. Dabei hatte der keinen Mucks von sich gegeben. Der kleine Tortellini Acht, der neben Otto döste, zuckte erschrocken zusammen. „Und fresst verdammt noch mal endlich euer Zeugs auf! Es stinkt zum Himmel.“





Zwei Weisheiten, die man so dringend braucht 
wie ein Loch im Kopf.


»Das Leben ist manchmal ein Arsch.«
(Kein chinesisches Sprichwort)


»Wenn dir das Leben in die Fresse haut, 
mach Blutwurst draus!«
(Rudi)





Für unsere Hundefreunde: Massenschlägerei auf Seite 175.
Neben Tortellini Acht gibt es noch Tortellini Zwei. Beide sind Überbleibsel aus Ottos Techtelmechtel mit Pasta, der Hofhündin des Nachbarn. So gesehen ist Rudi also ein Vermehrer. Und eine brutale Sau sowieso. Er flucht viel und barft nicht und außerdem schubst er die kleinen Tortellinis. 

Zur Schlägerei sei es nur gekommen, weil die intermediären Brücken der vier GAGAS nicht funktioniert hätten, meinte Rudi später. GAGAS ist die Abkürzung für gutsituierte Arztgattinnen aus Sylt. Quatsch, sagte Markus, deren Ridgebacks hätten einfach eine zu große Fresse gehabt. 

Das mit der Schlägerei war übrigens so:

Otto und die beiden Tortellinis schossen über den Hof und bogen so scharf in die Zypressenallee ein, dass die Kiesel nach allen Seiten spritzten. Dort stürzten sie sich mit Donnergrollen auf zwei Rhodesian Ridgebacks und drei silbergraue Weimaraner und vermöbelten sie nach Strich und Faden. Vier Frauen in Outdoordesignerklamotten hüpften wie von Sinnen neben den sich im Staub wälzenden und wild um sich schnappenden Hundeleibern auf und ab. Eine fünfte stand abseits und kommandierte: »Bleiben Sie ruhig, bitte! Konditionierte Entspannung! Alle! Wer kann, klickert. Bestätigen Sie Ihre Hunde. Nicht ohne Markerwort ins Geschirr greifen! Zeigen Sie ihnen körpersprachlich, dass Sie bei ihnen sind.« Wenn die Stimmlage der Dame nicht bei jedem Satzende ins Hysterische übergeschwappt wäre, hätte man tatsächlich glauben können, sie hätte die Situation im Griff.

Daraufhin schrien die Frauen alberne Namen wie Amanda, Coordt und Ebony Kajembo in die schwüle Sommerluft und stießen seltsame Laute dazu aus. Es klang wie Eaasyyyyy und Liiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeb. Eine kreischte in einem fort Guuuud Boooi, eine andere Klick! Kommst Du ZU MIR? TickeTak TickeTak TickeTak!

Unten am Fuße des Ölmühlenhügels standen ein Range Rover und zwei Porsche Cayenne. Claudia schloss später daraus, dass es sich wohl um eine geführte Toskanahundewanderung für unausgelastete Arztgattinnen gehandelt haben müsse. Aber was latschten die auch mit ihren teuren Rasseviechern unangemeldet auf den Hof? Das hätten die sich doch denken können, dass eine derart be- scheuerte Nummer auf dem Land nicht gut ging. Die konnten froh sein, dass Pasta nicht dabei war; die hätte unter den Ridgebackweibern ein Blutbad angerichtet.

»Bleiben Sie sanft!«, rief die Trainerin ihren Elevinnen zu. »Bestärken Sie Ihre Hunde positiv. Keine aversiven Kommandos jetzt! Damit würden Sie die Bindung, die Sie zu Ihrem Hund hergestellt haben, zerstören. Rita, machen Sie weiter Ticketacke. Ebony Kajembo reagiert sehr, sehr gut auf die intermediäre Brücke. Heidemarie, nehmen Sie Coordt in den Geschirrgriff und sagen Sie das Geschirrgriffwort.«

Die Hunde prügelten sich völlig unbeeindruckt weiter. Augenscheinlich entdeckten die Edeltölen seit langem mal wieder den Wolf in sich und kämpften, was das Zeug hielt. Gegen das Wachpersonal der Firma Otto & Söhne hatten sie allerdings keine Chance.

Die drei waren gewiefter, instinktiver und skrupelloser. Während die Weimaraner sich noch regelkonform verbeugten, bevor sie die Matte betraten, trat ihnen Otto schon in die Eier. Sein missratener Nachwuchs sprang den Ridgebacks direkt ins Gesicht und biss da hin, wo es richtig wehtat. Drei von zehn gegnerischen Ohren bluteten bereits in der ersten Sekunde.

»Ruhig bleiben, Riiiita!«, schrie die Trainerin und verlor selber die Nerven. »Wir haben genug Erfahrung im Markertraining, dass wir auch kritische Situationen wie diese gewaltfreiiiii lösen können. Sobald dein Hund dich ansieht – sofort Click for Blick! Und Heide, du gehst ...«

»AUUUSSSSS! VERDAMMTNOCHMAL!«, unterbrach Claudia rüde die Idylle und schmiss ein Kantholz nach ihren drei Hunden. »Otto! Torte!! Sofort aufhören mit der Scheiße! Verpisst euch gefälligst!«

Otto und seine Schlägertruppe drehten ab und stellten sich hinter Claudia. Die todschicken SUV-Fahrerinnen bekamen nach und nach ihre Hunde ebenfalls zu fassen und atmeten schwer. Ebony Kajembo schien von der Wandertruppe noch derjenige mit den meisten Eiern zu sein. Jedes Mal, wenn er Otto sah, röhrte er wie eine Planierraupe im Leerlauf und wäre ihm am liebsten erneut an die Gurgel gegangen. Für jede dieser Aktionen bekam er eine Faust voller Leckerchen in den Rachen gestopft, während die dazugehörige Arztgattin Look Doggie Look hauchte.

Zeigen und Benennen heiße diese Technik, wandte sich die Trainerin an Claudia, sie funktioniere – wie man sehe – in innerartlich aggressiven Extremsituationen ganz ausgezeichnet, aber da nun sie, die Trainerin, als die einzig anwesende kompetente Kynologin, den dramatischen Konflikt gelöst und die Hunde getrennt habe, müsse man sich einmal wegen Schadenersatz unterhalten, die blutenden Ohren seien noch das geringste Übel, die Traumatisierungen viel schlimmer, so ein Auftreten, wie es Claudias ganz offensichtlich asoziale Tiere an den Tage gelegt hätten, gehe ja nun mal gar nicht, sie hätte jetzt gerne Namen und Adresse ...«

Da geriet sie genau an die Richtige! Otto und die beiden Tortellinis sahen interessiert zu, wie ihr Frauchen wie eine ferngelenkte Atombombe in die Gruppe der Edel- köterweiber schoss, dortselbst aufsehenerregend detonierte und die Designerdamen mit ohrenbetäubendem Gebell vom Hof vertrieb. Einige Laute, die Claudia dabei ausstieß, kamen den Hunden sehr bekannt vor. Wohldenarschoffen beispielsweise und Ganzschnellerabgangjetzt. Otto und die Tortellinis klemmten vorsichtshalber die Ruten ein. Diese Worte hörten sie jeden Sonntagmorgen, wenn sie als Erste beim Frühstückstisch eintrafen und sich mit Hingabe der Wurstplatte widmeten.

»Kannst du nicht zwischendurch mal zur Mühle zurückkommen?«, fragte Claudia vorsichtig, nachdem sie Rudi die monumentale Hundeschlägerei haarklein am Telefon geschildert hatte. »Bitte, Rudi! Nur für einen Tag. Deine Hunde drehen total am Rad, wenn du so lange fortbleibst.«





Ingredienti.
108.678 Wörter
8.253 Reisekilometer(Flieger, Bahn, Bulli)
456 Quadratmeter Scheunenwand
179 Flaschen Rosso (Ladeneröffnung eingerechnet)
32 Songs
9 Kapitel
8 Tortellinis
5 Portionen Lasagne al porno 
4 Männer
3 blaue Daumen
2 Zwillinge (zweieiig)
1 Stalker

Frauen Chaos






Männer al dente hat 416 Seiten, ist im Mai 2015 im Heyne Verlag erschienen und kostet nicht mehr als eine gute Flasche Rosso: 9,99 €. 


1 Kommentar:

  1. herrlich.....habe schon wieder tränen gelacht.....einfach köstlich!!!

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